Impressionen 

April 2005

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Serbien in Europa. Das ist der Titel eines recht populären Buches mit Interviews von Zoran Djindjiæ.  Djindjiæ, der in Deutschland studiert hat, war Premierminister, bis er 2003 ermordet wurde. Das Thema ist natürlich nicht, ob Serbien geographisch in Europa liegt, sondern ob es in die Europäischen Union aufgenommen werden soll.

In der EU selber bewegt diese Frage niemanden, den hier geht es eher um die Türkei. Was natürlich auch wieder etwas mit Serbien zusammenhängt, denn die Grenze der Türkei verlief ja noch vor 150 durch das heutige Serbien. Hier gibt es wiederum zwei Einstellungen: die eine - und die wird von der derzeitigen Regierung vertreten - ist daß Serbien bis 2012 in der EU sein sollte. Die andere Seite ist natürlich dagegen.

 

Pancevo

Vrsac (Werschetz)

Viel interessanter ist aber die Frage, wozu die Europäische Union eigentlich gut ist, und ob sie sich auf den Balkan erweitern soll. Im Westen denkt man da an Horden von billigen Arbeitern, die Arbeitsplätze bedrohen. Man zählt die Arbeitsplätze, die in billige Nachbarländer verlagert werden. Man denkt an große Subventionen, die notwendig werden. An Kriminalität, die dann keine Grenzen mehr kennt. An unsere westlichen Werte, die durch ein korruptes Land ohne Demokratieverständnis bedroht werden.

Hier denkt man natürlich genau anders herum. An Firmen, die ohne Zölle den Markt überschwemmen und Arbeitsplätze von serbischen Unternehmen vernichten. Man zählt das Handelsbilanzdefizit, das anzeigt wie viele fremde Wertschöpfung die serbische Wirtschaft verdrängt. Man denkt an Regelungen, die dem Land aufgezwungen werden. An Ausländer, die in Scharen kommen und die wertvollsten Grundstücke, Kunstwerke und ähnlichen wegkaufen. An die Serbischen Werte, die durch den materialistischen Westen ohne Solidaritätsgefühl bedroht werden.

So weit sind wir in Europa gekommen. Wir fürchten uns vor den Ideen, mit denen Europa gegründet wurden. Wir feiern den 8. Mai als Tag des Endes des zweiten Weltkrieges, aber nicht den 9. Mai als Europatag des Neubeginns.

 

Was man aber auf jeden Fall als Expatriate sagen kann, ist daß einem Europa hier abgeht. Denn wen man hier lebt, dann weiß man noch, was ein Zollbeamter ist. Wie viele verschiedene Währungen es gibt. Was Inflation im praktischen Leben bedeutet. Wie schwierig es ist, ein Visum für eine Reise nach Frankreich zu bekommen, auch wenn es sich um einen leitenden Mitarbeiter einer französischen Firma handelt. Von den politischen Schwierigkeiten zwischen den Staaten ganz zu schweigen, deretwegen die EU ja auch 10000e von Soldaten in die Region schickt. 

Als Pragmatiker würde man auch noch die zahlreichen Gesetze und Regelungen nennen, die manchmal mit Mühe durchgesetzt werden, die aber meistens in Richtung von "Europa" gehen: Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht, Gleichberechtigung, Prozeßordnung, Steuerrecht ...  

 

Kriegerdenkmal des preußischen 
Reserveinfantrieregiments 208 in Banovo Brdo

Einige Schritte daneben das Denkmal, welches GFM von Mackensen 1915 für die gefallenen Serben errichten ließ. Die Inschrift in Deutsch und Serbisch sagt "Hier ruhen serbische Helden".

Wird es ein Serbien in Europa geben? Ein Kroatien, Bosnien, Albanien, Kosovo, Mazedonien? Oder ist der Balkan nicht die Knochen eines einzigen preußischen Musketiers wert? Die Geographie ist hier eindeutig, die Politik nicht. Diese Frage nicht zufrieden stellend zu lösen hat in der Vergangenheit unzählige Leben gekostet. Hoffen wir auf eine friedliche Lösung.

 

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Akt. am 05. dec 2005