Impressionen 

Juni 2004

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Seid Mitte Mai 2004 sind wir in diesem Land, das offiziell Serbien-Montenegro heißt. Was früher einmal Jugoslawien (also das Land der Südslawen) war, ist durch den Krieg wieder in die Bestandteile zerfallen, aus denen es 1918 entstanden ist. Slowenien, Kroatien und Mazedonien sind unabhängige Staaten geworden. Das von Österreich-Ungarn 1908 annektierte Bosnien-Herzegowina ist nach langem Krieg in eine Föderation des bosnisch-kroatischen Teils und der „serbischen Republik“ zerfallen. Der Kosovo, historisch zu Serbien gehörig aber zu 80 – 90 % von albanischen Muslimen bewohnt, steht unter UNO-Kontrolle. Bleibt also Montenegro, das Land der schwarzen Berge, und Serbien. Wobei Serbien wieder im Norden aus der ehemals ungarischen Woiwodina und im Südwesten aus dem eher muslimischen Sandschak besteht. Und alle diese Gebiete haben eine jahrhunderte alte eigene Geschichte und Kultur, beeinflusst durch die Türken, Österreicher, Stammesgebiete und durch Kriege auf verschiedenen Seiten.

Momentan sieht es so aus, dass Montenegro eine eigene Regierung hat (nur Außenpolitik und Verteidigung sind auf die Förderation mit Serbien übertragen), es aber ein Mehrwertsteuersystem, eigene Zölle und den Euro gibt. Auch die Gesetze sind verschieden, so darf zB eine serbische Bank dort keine Filiale eröffnen. In Serbien gilt der Dinar und es gab bis 2004 Verkaufssteuer. Im Endergebnis ist es schwieriger, ein Auto von Serbien nach Montenegro zu verkaufen als nach Tahiti.

Die serbische Republik ist zwar winzig klein, aber dort gilt noch die D-Mark, oder jedenfalls das was man dort daraus gemacht hat, die KM, die konvertible Mark. Im Kosovo, staatsrechtlich noch zu Serbien gehörend, gilt der Euro. Regierung gibt es dort eigentlich keine, Arbeit auch nicht. Im groben regiert dort die Mafia und die Leute gehen dort steuerfreien Tätigkeiten wie Drogenhandel oder Prostitution nach, wobei die UNO-Soldaten bzw. deren Sold die wichtigsten Wirtschaftsimpulse setzen. Und diese Mafia widersetzt sich natürlich jeden Befriedungsversuchen, denn dann würden diese Wirtschaftszweige ja brachliegen. Daher kann man die ethnischen Konflikte auch schon einmal anheizen, damit ist die Gefahr des Abzugs der Soldaten wieder gebannt. Und das ist auch deswegen praktisch, weil man ja die Nachbarn vielleicht rausekeln und dadurch Besitz von Ihren Häusern oä nehmen kann. Die ganze Situation hat dann dazu geführt, dass Hunderttausende Ihre Heimat verlassen mussten und jetzt irgendwo anders, In- oder Ausland, leben.

In Serbien selber regierte Herr Miloseviæ & Freunde. Der Krieg und das Embargo waren natürlich auch sehr willkommen, denn ähnlich wie jetzt im Kosovo haben einige wenige davon profitiert. Man kann in so einer Situation sehr viel Geld verdienen, wenn man an der richtigen Stelle sitzt. Wenn man die Konkurrenz mit Hilfe der Polizei ausschalten und gleichzeitig selber mit geschmuggelter Ware wie Treibstoff viel Geld verdient, dann wählt man auch gerne die Weltanschauung, die gerade gefragt ist. Doch mit der Revolution im Jahr 2000 ist dieses Regime gestürzt. Allerdings sind die politischen Verhältnisse nicht viel stabiler als in der Weimarer Republik. Und als es einen energischen Premierminister, Djindjiæ, gab, hat Ihn die Konkurrenz – Mafia oder Politik – umgebracht. So wie es auch in den vergangenen Jahrzehnten immer üblich war, außer Tito sind nur wenige Könige oder sonstige Führer in Ihrem Bett verstorben.

Juni 2004 hat nun Serbien einen neuen Präsidenten gewählt, und zu unserer allen Erleichterung auch den demokratischen Kandidaten. Aber die Regierung wird von einer Koalition aus anderen Parteien gestellt, die diesen Kandidaten nicht unterstützt hat, und die Sozialisten, Kommunisten und Radikalen sind ohnehin gegen Ihn. Also könnte es nach einem Jahr wieder zu Parlamentswahlen kommen, eine erneute Unsicherheit. Gemeindewahlen wird es ohnehin geben. Wir freuen uns über die Wahl von Boris Tadiæ, aber politische Stabilität sagen wir nicht voraus.

 

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Akt am 04. févr. 2007