Der Schulfreund |
(später: Mein Schulfreund)
Uraufführung: 22. Juni 1960 in mehreren Städten der Bundesrepublik nach J. M. Simmels gleichnamigem Schauspiel |
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Heinz Rühmann (Geldbriefträger Ludwig
Fuchs)
Loni von Friedl (Rosi) Alexander Golling (Krögelmeier) Alexander Kerst (Hauptmann Sander) Hans Leibelt
(Professor Strohbach) Heinz Kargus (Wächter) Reinhard Glemnitz (Geldbriefträger) Regie: Robert
Siodmak |
Erzählt wird die Geschichte des
Geldbriefträgers Ludwig Fuchs, dessen Tochter bei einem Luftangriff auf
München ihren Freund verliert, der aus Angst vor dem Blockwart während
des Angriffs aus dem Haus gelaufen war.
Nun macht sich der Vater Vorwürfe, da er den Jungen überreden wollte, zu seiner Einheit zurückzukehren. Schließlich schreibt er einen Brief an seinen Schulfreund Hermann Göring, er solle doch dafür sorgen, daß dieser sinnlose Krieg eingestellt werden würde. Natürlich wird der Brief abgefangen und der Ludwig Fuchs eingesperrt. Aber sein alter Schulfreund entsendet einen Hauptmann, um ihn als unzurechnungsfähig zu erklären und damit straffrei zu lassen. Der Plan gelingt, denn Professor Strohbach kann sich gegen seinen streng linientreuen Oberarzt durchsetzen, der den Schwindel natürlich auch durchschaut hat. 1945, beim Einmarsch der Alliierten, irrt er arbeitslos im alten Postamt. Alle sind geflohen - nur Ludwig Fuchs sorgt wieder für Ordnung. Er verhilft dem Blockwart zu einer Postuniform, damit dieser fliehen kann - als Mensch kann er dem Menschen die Hilfe nicht versagen. Aber als Unzurechnungsfähiger kann er nach Kriegsende seinen Beruf nicht mehr ausüben, und nun begibt er sich auf die Suche nach Helfern, um wieder als normal erklärt zu werden. Dies mißlingt aus verschiedensten Gründen, und als es doch gelingt, ist er vorbestraft ... |
Die Geschichte beruht auf einer waren Gegebenheit.
* - *
Der Film ist einer der besten Filme mit Heinz Rühmann. Er lebt durch seine Charakterisierung der Menschen während und nach dem dritten Reich: dem Blockwart; den Mitläufern; den ewig Treuen; den Sexualverbrechern, die mit den politischen Verbrechern nichts zu tun haben wollen; die Beamten der Postbehörde, für die die Vorschriften Gesetz, aber der Mensch wenig zählt. Und den ehrlichen Offizier, der eigentlich Pianist werden wollte, und der immer ein Mensch geblieben ist, auch wenn er dabei Risiken eingehen mußte.
Der Film lebt von den Bildern, weniger von ausgeprägten Monologen oder Dialogen. Parallele Szenen kennzeichnen ihn:
Rühmann im Gefängnis während des dritten Reiches und als Besucher nachher: der Wächter ist derselbe, bei den "Herren Politischen" ist jetzt massenweise Platz, aber die vielen anderen, die man nach dem Zusammenbruch dort erwartet hätte, sind nicht eingetroffen.
Der verrückte Zellengenosse Niedermoser, der wirklich gehängt wird, während der Scheinverrückte Fuchs freigelassen wird.
Der Anwalt nach dem Kriege, zuerst in einer Dachstube, dann in einem kleinen Büro, schließlich in einer modernen Kanzlei.
Die Rollen wechseln: der Blockleiter, der eben noch allmächtig seine Nachbarin verhaften wollte, ist nun ein flehender Mitmensch auf der Flucht vor den Alliierten, dem keiner helfen will außer dem vorher verfemten Volksfeind. Doch die Jacke, in die er schlüpfen will, ist zu eng: im alten Regime ist er zu fett geworden.
Und die Rollen wechseln nicht: Professor Strohbach, der gerne helfen wollte, ist als Unterzeichner im Gefängnis. Wollte er es vielleicht auch nicht, so hat der doch aus Angst die Grausamkeiten unterschrieben. Der Oberarzt, der gerne den Simulanten ins Gefängnis geschickt hätte, kehrt aus russischer Gefangenschaft zurück - er hat gegeben, wozu also helfen?
Ein Höhepunkt des Filmes schließlich, als Rühmann versucht, auf einer Faschingsfeier einen ehemaligen Offizier treffen möchte. Dieser hat Angst vor ihm: hat er nicht jemanden mit diesem Namen zu Kriegsende wegen Feigheit erschossen? Rühmann, mit einer Pappnase bekleidet, irrt durch das wilde Treiben der Nachkriegszeit, in denen diejenige, die es sich "gerichtet" haben, in vollem Trubel leben und jegliche Verantwortung abschieben.
Die Jugend aber, charakterisiert durch seine Tochter, ihren Verlobten oder den jungen Geldbriefträger, schreitet unbefangen von der Vergangenheit auf eine neue Zukunft hin.
* = *
Wenn der Film weit weniger Beachtung gefunden hat als zB der Hauptmann von Köpenick, so liegt dies nicht am Schauspieler oder am Stück. Es mag es daran liegen, daß er viel direkter den Finger auf das Publikum zeigt und diesem viel unangenehmer ist als eine Eugenspiegelei der Vergangenheit. Es gibt kein happy end und keine Fröhlichkeit, in die die Moral eingewickelt werden kann. Die Geschichte hinterläßt eine Reihe von Menschen, von denen jeder selber mit seinem Schicksal fertig werden muß.
Pressestimmen:
Das Gemisch aus Realismus und Groteske hält Siodmak mit sicherem Griff im Lot. Heinz Rühmann übertrifft als vom Paragraphen 51 verfolgter Geldbriefträger seine Leistung als Hauptmann von Köpenick. (Süddeutsche Zeitung 1960)
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