Der Freistaat Flaschenhals

 

Der Freistaat Flaschenhals existierte vom 10. Januar 1919 bis zum 25. Februar 1923. Die westlich des Rheins gelegenen Provinzen Deutschlands waren von den alliierten Armeen besetzt. Um auch östlich des Rheins militärisch präsent zu sein, wurden von den Siegermächten bei Köln, Koblenz und Mainz halbkreisförmige Brückenköpfe mit einem Radius von 30 km eingerichtet. Da sich diese Zonen aber nicht überlappten, entstand zwischen den beiden Kreisen ein schmaler Korridor in Form eines Flaschenhalses - schuld daran war ein Vermessungsfehler.
Man hat anfangs - auch mit Unterstützung deutscher Stellen - versucht, den Flaschenhals dem besetzten Gebiet einzuverleiben. Sobald man in diesem Gebiet aber diese Absicht merkte, hat man sich mit aller Entschiedenheit zur Wehr gesetzt.
Um in der isolierten Lage abseits des freien Reiches überleben zu können, schmuggelten die Bewohner des Freistaates Waren und Geld über die Grenze und trieben heimlich Handel mit den Schiffen auf dem Rhein. Die Versorgung der 8000 Einwohner, die in den Städten Lorch und Kaub und einigen anderen Gemeinden lebten, war äußerst schwierig. Straßenverbindungen ins unbesetzte Deutschland fehlten, so dass der gesamte Waren- und Postverkehr nur auf Schmuggelpfaden möglich war.
Zwischen Dezember 1918 und August 1919 kam die Eisenbahnbenutzung völlig zum Erliegen, weil kein Zug im Freistaat halten durfte. Eine Ausnahme machte ein Güterzug mit Beutekohle der von einem beherzten Lokführer gekapert und in den "Flaschenhals" geführt wurde.
In den Freistaat Flaschenhals kamen aber auch ausgewiesene Bürger des linksrheinischen Gebietes, zB. der Binger Bürgermeister Neef. Sie wurden über Behelfswege in das "freie" Reichsgebiet weitergeleitet. Wein aus dem besetzten Rheingau wurde geschmuggelt, um ihn vor dem Zugriff durch die Franzosen zu bewahren.

Am 25. Februar 1923 wurde der Freistaat entgegen den Vereinbarungen von Versailles von französischen Truppen besetzt, das „Staatsoberhaupt“ Bürgermeister Pnischeck gefangen genommen. Am 16. November 1924 zogen die Franzosen wieder ab.

 
Der Freistaat Flaschenhals ist im Zusammenhang mit der Geisteshaltung nach dem ersten Weltkrieg zu sehen. Was man heute als humoristische Einlage in die Geschichte sehen kann, so drückt er doch eine Haltung aus, die die Ehre vor das Gesamtwohl setzte und ungewollt aber doch die Bevölkerung verarmen ließ und schließlich die Grundlagen des Nationalsozialismus und des zweiten Weltkriegs legte. Der verlorene Krieg und der Versailler Vertrag galten als Schmach und Schande. Ziviler Widerstand wurde hoch angesehen. Die Franzosen setzten dem eine Unterstützung der separatistischen Bewegung der Rheinlande entgegen, aber sie reagierten auch mit einer Einfuhrblockade gegen Deutschland, die den Hunger verstärkte. Die hohen Reparationen bedrückten Deutschland, aber die mangelnde Zusammenarbeit - auch bei der Abrüstung bzw. Waffenvernichtung - führte schließlich zur Besetzung des Ruhrgebietes. Es kam zum Ruhrkampf, Tausende streikten und wurden ausgewiesen. In der Folge galoppierte die Inflation.

Der Freistaat Flaschenhals endete zusammen mit dem Ruhrkampf. Die Hochinflation hatte die Weimarer Republik zum Umdenken gezwungen. Als alle Bürger ihr Erspartes verloren hatten, ging der Kampf zu Ende. Vernünftige Politiker wie Aristide Briand und Gustav Stresemann kamen an die Macht, die Probleme wurden auf vertragliche Art geregelt, die Reparationen verringert und schließlich beendet. Briand und Stresemann erhielten für den Friedensnobelpreis für den Locarnopakt. Aber die Zeitspanne der deutsch-französischen Versöhnung war zu kurz, nach der Weltwirtschaftskrise bekamen die Nationalsozialisten Aufschwung und alles endete in der Zerstörung des zweiten Weltkrieges.

 

Heute ist der "Freistaat Flaschenhals" eine Qualitätsoffensive der lokalen Winzer und die Aussöhnung mit Frankreich die Basis der europäischen Stabilität..

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