Reisen an den Ufern des Rheins: Deutsches Brot (Alexander Dumas)

 

Wenige Dinge werden so unterschiedlich zwischen Deutschen und Franzosen gesehen wie das Essen, und insbesondere das Brot. Auszug aus den "Reisen an den Rheinufern" von Alexander Dumas (1838)
Wir kamen im Hotel Stern auf dem Marktplatz an, welches von Herrn Simrock, dem Bruder des Dichters betrieben wird. Es war gerade der Zeitpunkt wo man sich zum Ein-Uhr-Mahl zu Tisch setzte, welches man hier das kleine Mahl nennt. Denn in Deutschland, obwohl man eigentlich von morgens bis abends ißt, wollte man trotzdem allen Stationen einen Namen geben, die man nach kurzen Halten macht. Morgens um sieben, das Auge aufgetan, nimmt man den Kaffee, um elf Uhr ein zweites Frühstück, um ein Uhr das kleine Mahl, um drei Uhr das Mittagsmahl, um fünf Uhr die Jause und schließlich um neun Uhr abends, wenn man aus dem Theater kommt, das Souper, und dann geht man schlafen.
Darin sind der Tee, Kuchen und Butterbrote nicht enthalten, die man zwischendurch verspeist.

Wenn ich auch im allgemeinen einen recht guten Appetit habe und sich dieser auf den Reisen um 25 - 30 % erhöht, war ich doch seit meiner Ankunft in Aachen recht unglücklich.
Zunächst da für mich, wie für jeden Franzosen der im Mutterland geboren ist, die Nahrung die ich täglich aufnehme zur Hälfte aus Brot besteht, dazu zu einem Viertel aus Fleisch und der Rest aus Beilagen und Süßspeisen. Aber seit Aachen hat man mir statt Brot nur Hefezopf gegeben. Hefezopf ist an sich etwas Gutes, aber meiner Meinung nach sollte er, um seinen Wert zu behalten, zur rechten Zeit serviert werden. Als ihn der Wirt zum ersten Mal servierte - zum unpassenden Zeitpunkt wie mir schien - habe ich den Hefezopf beiseite gelegt um ihn zum Kaffee zu essen, und ich habe ihn um richtiges Brot gebeten.

Der Kellner lächelte mit wissendem Blick und antwortete in gutem Französisch:
Ich weiß, was sie möchten - und hat mir Aniskekse gebracht.
Ich biß hinein, als Kuchen hatte ich nichts gegen ihn, aber als Brot ließ er zu wünschen übrig. Ich legte ihn auf einen zweiten Teller um ihn später wie einen Pudding wiederzufinden, rief den Kellner mit dem freundlichen Gesicht wie alle deutschen Kellner, und mißtraute nun meiner eigenen Sprache und wagte im besten Ton das Wort "Brod".

Ah! Ich verstehe, antwortete der Kellner, der sich freute, mich endlich richtig verstanden zu haben, der Herr möchte Pumpernickel.(*) Und ohne meine Antwort abzuwarten verschwand er aus der Stube.
Ich versuchte nicht, ihn aufzuhalten, denn die beiden Bäckereiprodukte, die sich in meinen Augenwinkeln befanden schienen mir keinerseits bestimmt, Brot zu ersetzen. Und es ärgerte mich auch nicht diesem Wesen ins Gesicht zu sehen, welches man mit dem schönen Namen Pumpernickel bezeichnet.
Nach fünf Minuten kam der Kellner mit einem dieser schönen runden Brote herein die man auf unseren Höfen als Laib bezeichnet.
Ah! sagte ich sehr zufrieden.
Ah! sagte der Kellner, der noch zufriedener war.
Und das nenne man hier Pumpernickel? fragte ich und nahm den Laib in die Hände.
Richtiger Pumpernickel. Nur ein einziger Konditor kann ihn richtig machen.
Wie? Hier bäckt der Konditor Brot?
Aber ich habe ihnen doch kein Brot gebracht.
Was denn?
Pumpernickel.
Der Name tut nichts zur Sache.
Da haben der Herr recht, der Name tut nichts zur Sache, übrigens schmeckt Pumpernickel sehr gut.
Wir werden ja sehen.
Mit diesen Worten versuchte ich den Laib zu hacken, aber ich stieß auf unerwarteten Wiederstand.
Ah! sagte der Kellner, Pumpernickel kann man nicht schneiden, den muß man zerbrechen, oder man braucht rasiermesserscharfe Messer.
Wie? Rasiermesserscharfe Messer zum Brotschneiden?
Ich habe bereits die Ehre gehabt, dem Herren mitzuteilen, daß Pumpernickel kein Brot ist.
Was ist es denn? fragte ich ungeduldig und drückte ungewollt meinen Daumen durch die Kruste.
Mein Herr, daß sind Birnen, Rosinen, Feigen, also lauter gute Sachen.
Ich zerbrach mein Pumpernickel und ich sah tatsächlich eine Reihe von getrockneten Früchten daraus hervorbröckeln. Die Kruste wahr hohl wie ein Schuh, und es war gerade genug Teig, um alle diese Früchte wie mit einer Art Schwamm zusammenzuhalten.

Ich mußte also auf meinen Kuchen zurückkommen und es ging mir seit Aachen wie den Untertanen von ich weiß nicht welcher Königin: weil es mir an Brot fehlte, mußte ich Kuchen essen. (**)

 
Anmerkungen des Übersetzers:
(*) Das Wort Pumpernickel (ein dunkles kompaktes Schwarzbrot) ist im heutigen Sinne nicht richtig verwendet, es sollte besser Früchtebrot (Klezenbrot) heißen.
(**) Dumas spielt auf ein Ereignis zu Beginn der französischen Revolution an: als das Volk revoltierte weil es nicht genug Brot gab, fragte die Königin Marie-Antoinette, warum sie nicht statt dessen Kuchen essen würden.

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