Karneval - Fasching - Fastnacht

Ein kleiner Kulturrundgang

Aus einer Diskussion im Internet - für unsere Freunde in Lateinamerika

Karneval - Fasching - Faßnacht Fleisch ade: vor der Fastenzeit
Wo wird Karneval gefeiert? Karneval im Rheinland
Wann wird Karneval gefeiert? Fernsehkarneval
Woher kommt der Karneval? Karneval in Köln und Düsseldorf
Karneval - die tollen Tage Karneval - Fest der Einheimischen
Altweiberfaßnacht  

 

Karneval - Fasching - Faßnacht

Karneval ist das rheinische Wort, Fasching das süddeutsch/österreichische, Faßnacht/Fastnet etc. kommt in einigen Gegenden vor. Ich werde der einfachheit halber bei Karneval bleiben.

<top>

Wo wird Karneval gefeiert?

Karneval wird inzwischen fast überall in Deutschland und Österreich gefeiert, aber schwerpunktmäßig mehr im Westen und Süden als im Norden und Osten.

<top>

Karneval in Bingen - Sturm der Burg Klopp Karneval in Bingen - Sturm der Burg Klopp

Wann wird Karneval gefeiert?

Die Karnevalssaison beginnt offiziell am 11.11. um 11:11. Die Hauptsaison beginnt am 1. Januar (mit dem Hissen der Flagge), die "tollen Tage" beginnen am Donnerstag vor Aschermittwoch und die Saison endet am Dienstag vor Aschermittwoch um Mitternacht. Ausnahme ist die Basler Fastnacht, die am Aschermittwoch um ca. 4 Uhr früh beginnt (und sicher nicht nur dort, sondern auch in anderen alemannischen Gegenden).

<top>

Woher kommt der Karneval?

Karneval ist eine sehr alte Tradition aus vorchristlicher Zeit. Sie hängt mit den Geistern der Nacht zusammen, die in Masken personifiziert werden. Das Darstellen in Masken ist eine Art der Bewältigung der negativen Mächte. Mit dem Ende des Winters werden diese Geister vertrieben, das "Austreiben des Winters", der Sieg des Frühlings. In diesem Zusammenhang sind auch die österreichischen Glöckler, Perchten, Krampusse etc. zu sehen. Karneval in diesem Sinne des "Winteraustreibens" ist insbesondere im allemanischen Karneval, en gros Stuttgart südwärts, vertreten, die Basler Fasnacht ist einer der "reinsten" Vertreter. Dieser Karneval demonstriert sich durch Umzüge mit Masken und Fratzen.

Der Vollständigkeit halber sollte erwähnt werden, daß es einen solchen Karneval auch in Frankreich gibt, zB mit dem Verbrennen eines Geistes, eines Drachens etc. - das geschieht zB in meiner Gegend zu Frühlingsanfang. Das Verkleiden kommt wohl ursprünglich von dieser Tradition.

<top>

Karneval - die tollen Tage

Wohl aus römischer Zeit/Sitte kommen die "tollen Tage". An wenigen, bestimmten Tage im Jahr wurde gefeiert und das eheliche Treuegelübde konnte nicht geltend gemacht werden. (Vielleicht stammt das auch aus wesentlich früherer Zeit, es ist ein recht simpler Fruchtbarkeitsritus). In diesen Feiern verkleidete man sich, aber mehr im Sinne von "Verstecken - Unkenntlichmachen" als im Sinne von "einen Geist darstellen". Der österreichische Fasching kommt mehr von dieser Seite. Er präsentiert sich insbesondere durch zahlreiche Bälle, die auch der Hoftradition entsprechen. Die Verbreitung ist heute auf der Achse München - Salzburg - Wien zu finden. Hier dominieren die Bälle, mal mit, mal ohne Verkleidung. Eine Bedeutung von Karneval: Carnevalerce im italienischen bedeutet "ungstüm seine Freude ausleben" (Danke an Christian für diesen Hinweis)

Die tollen Tage sind aber auch die Zeit des Unsinns, der Narren. Eine Interpretation des Wortes Karneval ist carrus navalis, das Schiff auf dem Karren (ie auf dem Land) im Sinne von "verkehrte Welt". Es gibt in einigen Ländern Traditionen, daß an diesem Tag ein Narr (oder ein zufällig ausgewählter) König ist. In Frankreich ist das die "Tirage du Roi", das Ziehen des Königs: derjenige, der in einem Kuchen eine 'fève' (wörtlich Bohne, eine kleine Figur) findet, ist König.

<top>

Fassnachtsbrunnen Mainz Fassnachtsbrunnen Mainz Fassnachtsbrunnen Mainz

Altweiberfaßnacht

Im Rheinland (Köln bis Mainz) hat sich diese Tradition gehalten, daß an Altweiberfaßnacht (Donnerstag vor Aschermittwoch) die Bevölkerung das Rathaus stürmt und den Bürgermeister gefangennimmt. (Er kann sich in der Regel durch Überreichung einiger Flaschen Wein befreien). Altweiberfaßnacht? An diesem Tag schneiden im Rheinland die Damen jeglichen Alters den Herren den Schlips ab (sie schneiden wirklich, ich empfehle an solchen Tagen eine alte wertlose Krawatte zu tragen. Nur der Sinn ist symbolisch - das wäre sonst viel schmerzhafter!) Auch dies im Sinne von "verkehrte Welt" (die Krawatte war ursprünglich auch ein Erkennungszeichen der Soldaten), aber weit verbreitet: als Bonn noch Hauptstadt war, wurde dies sogar im Kanzleramt so gehandhabt, welches gestürmt wurde und der Bundeskanzler persönlich wurde um seine Krawatte erleichtert.

Das Verkleiden in Kostümen kommt sicher auch aus diesem Zusammenhang Narretei + Verstecken. In diesem Zusammenhang gibt es dann die Umzüge, hauptsächlich am Rosenmontag, wobei das Schwergewicht auf der Achse Düsseldorf - Köln - Mainz liegt, im Gegensatz zu den erwähnten allemannischen Umzügen gibt es hier keine Geistermasken, sondern eher bunte Verkleidungen.

<top>

Fleisch ade: die Tage vor der Fastenzeit

Mit dem Aschermittwoch beginnt die christliche Fastenzeit. Dies hat heute eine rein religiöse Bedeutung, aber historisch ist es die Zeit, wo die Wintervorräte zu Ende gingen und man die Vorräte strecken mußte, um bis zur ersten Ernte des Frühlings auszukommen. Von Fasten daher auch das Wort Fast-Nacht, man spricht vom Fast-Nachts-Dienstag und eigentlich nie vom Fastnachtsmontag, auf französisch "Mardi gras" - Fett-Dienstag als Übergang zur kommenden fleisch/fettlosen Zeit. Auch eine der Interpretationen von Karneval ist carne-vale, Auf-Wiedersehen-Fleisch.

<top>

Fassnachtsbrunnen Mainz Gardetrommler der Mainzer Prinzengarde Fassnachtsbrunnen Mainz

 

Karneval im Rheinland - Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht

Warum spricht man immer vom Mainzer Karneval? Mainz ist die Hauptstadt des "politischen" oder "literarischen" Karnevals, dh der Sitzungen mit Vorträgen. Die kann man im Fernsehn sehen (die Umzüge und Bälle natürlich auch, aber das ist weniger interessant) und wird daher oft mit Karneval gleichgesetzt.

Mainz und die linksrheinische Region wurden nach der Französischen Revolution von Frankreich erobert und unter französische Verwaltung gestellt. Französisch wurde Amtssprache, es galten französische Gesetze und Gerichtsbarkeit. Im Zuge der Revolution hatte dies aber auch die Bürgerrechte gebracht, mit einer gewissen Redefreiheit und einer Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz. Mit der Niederlage Napoleons hatte dieses ein Ende, und die alten neuen Herren wollten wieder den Absolutismus einführen. In Mainz waren übrigens die Österreicher und Preussen die Militärmacht, die Stadt war eine Bundesfeste.

Die rheinische Bevölkerung, durch die lange Geschichte mit vielen Eroberern immer schon etwas aufgeschlossener, fand das aber wenig attraktiv. Sie lief durch die Gassen und rief "Rizambeau, die Faßnacht ist do". (Rizambeau: entweder der österreichische Kommandant oder , der französische Präfekt Jeanbon St. André, es gibt beide Interpretationen), und die Melodie gibt es bis heute als hum-ta-ta, hum-ta-ta. Und man 'verarschte' die Autoritäten nach Strich und Faden. So zB indem man Garden in Uniformen und Pappschwertern aufmarschieren ließ - die Karnevalsgarden von Mainz und Köln tragen die österreichischen Uniformen der Epoque (und andere auch). In den Wirtshäusern wurde heftigst politisiert. Ein Prinz wurde inthronisiert - aber er hatte keine Macht, er mußte nur den Wein zahlen. Ein Rat wurde gebildet, der Elferrat. Ein Chef des Protokolls installiert. Die Narren sprachen. All dies spielte sich bis in die fünfziger Jahre hauptsächlich in den Wirtshäusern ab, wo sich mal die Männer, mal die Frauen, mal beide zusammen trafen, Reden schwangen, kritisierten, verspotteten, verulkten - das ist der politische Karneval. Inzwischen ist man aus Platzgründen in die Stadthallen und Gemeindezentren gezogen, aber der Inhalt ist gleich geblieben. Wehe dem Ortspolitiker, der nicht zu erscheinen wagt - am besten geht er überhaupt selber in die Bütt. Aber sein Fett bekommt er trotzdem weg.

Und die Politiker, die ja manchmal nicht dumm sind, ließen gewähren, denn der Karneval stellte sich als ein wichtiges Ventil heraus. Und seid dem frühen 19. Jahrhundert hat dieser Karneval den Absolutismus, den Kaiser, die Republik und selbst den Nationalsozialismus überlebt.

<top>

Rosenmontagszug Mainz Karneval in Bingen - Sturm der Burg Klopp

Fernsehkarneval

Das, was nun der Fernsehzuschauer zu sehen bekommt, ist nun einerseits die Weltliga des Karnevals, aber eben nur gefiltert, denn das Publikum tut sich mit der rheinländischen Sprache natürlich schwer, und ein Witz über den Kreisverkehr von Gonsenheim ruft kaum ein Gelächter in Unterhaching hervor. Auch ist die Fernsehsitzung eine Proporzangelegenheit, wobei sich zahlreiche konkurrierende Vereine mit dem Fernsehsender einigen müßen. Nur das fixe Datum am Freitag vor Aschermittwoch erlaubt es, daß die Dauer dieser Bemühungen nicht denen der israelisch-arabischen Verhandlungen entspricht, denn: Karneval ist eine ernste Sache, da läßt keiner der Verantwortlichen mit sich spaßen!

<top>

Karneval in Köln und Düsseldorf

Wenn Mainz die Hochburg des politischen Karnevals ist, so ist Köln die zweite Hochburg. Dort ist der Karneval viel stärker durch die Tanzgarden geprägt. Die Sitzungen sind wesentlich humoristischer und weniger politisch. In Mainz klatscht man, in Köln lacht man. In Düsseldorf steht dann mehr das Feiern im Vordergrund (aber diese Bemerkungen sind nicht von einer neutralen Person ...)

<top>

Karneval - Fest der Einheimischen

In Bingen (7000 Einwohner) gibt es ca. sieben Karnevalsvereine oder -sektionen, der älteste ist ca. 170 Jahre alt.

Bei der Kindersitzung in Kempten (vielleicht 900 Einwohnern) traten 100 Kinder im Alter von drei bis fünfzehn (dann gelten sie als karnevalistisch erwachsen) auf. Das Programm dauerte etwas über drei Stunden, 2/3 davon hätten in eine Erwachsenensitzung gehen können und vielleicht 20 % waren auf Fernsehfaßnachtsniveau.

In Weiler (ca. 1100 Einwohnern) gibt es zwei Karnevalvereine, der eine hat sechs Ballettgruppen, der andere sicher auch einige. Die Aktiven arbeiten bis zu 10 Monate im Jahr am Karneval, dies trifft insbesondere auf die Balletts zu, die ständig trainieren.

Ach ja: eine Karnevalsgegend hat einen sehr hohe Anzahl von Geburten im November!

<Zurück>