Angst vorm Fliegen

Über Jahrhunderte träumte der Mensch davon, Fliegen zu können. Dann kamen Menschen wie Montgolfiere, Otto von Lilienthal, die Brüder Wright oder Graf Zeppelin. Der Traum wurde zur Realität. Dann kamen andere, und der Traum wurde zum Alptraum.

Als Erica Jong ihren Bestseller "Angst vorm Fliegen" schrieb, da ging es noch um die Vibrationen, das Magengefühl beim Steig- und Sinkflug, den Lärm, die Luftlöcher. Zugegebenermaßen, die gibt es auch heute noch. Aber der Vielflieger gewöhnt sich daran, so wie sich der Autofahrer an das Geräusch des Motors oder der Motorradfahrer an die Zentrifugalkraft gewöhnt. Die üblen Gefühle kommen eher vorher oder hinterher. Es beginnt für die einen mit der Hetze zum Flughafen, aber die pünktlichen sind natürlich schon Stunden vorher dort. Wieso muß man eigentlich vorher schon da sein? Das liegt doch nur daran, daß andere auch spät kommen könnten und man nicht das ganze Flugzeug auf einmal mit Gepäck beladen kann. Also, genau gesagt: wenn alle anderen vorher kommen, dann kann man selber auch ganz knapp vorher kommen. Sozusagen, wenn alle anderen schon im Flugzeug drin sind. Man kann das auf manchen kleinen Flughäfen auch ausprobieren und es klappt vorzüglich. Einziges Hindernis: es dürfen andere nicht auf auf dieselbe Idee kommen und dann vor einem in der Schlange stehen. Dann verpaßt man den Flieger. Genauso, wie man pünktlich sein kann und trotzdem lange in der Schlange steht, wenn andere dieselbe Idee hatten.

Dann kommt das berühmte Einchecken. Heute sollte man das tunlichst selber tun. Dazu gibt es ja die hübschen Maschinen gleich neben dem Eingang in die Abflughalle. Ein freundlicher Bodensteward (der früher hinter dem Schalter zum einchecken saß) hilft vielleicht dabei. Vorteil: man kann sich unter allen freien Plätzen seinen Platz aussuchen. Zweiter Vorteil: es geht schneller. Das Platzaussuchen und Bordkarte-Drucken. Vielleicht haben die Maschinen die neueren Drucker installiert. Was nicht schneller geht ist das einchecken. Zumindest nicht, wenn man Gepäck hat. Beispiel Stuttgart: man stellt sich dann trotzdem in der Schlange an, wartet hinter den Nicht-Selbstbedienungseincheckern und wenn man dann nach langem Warten an einen Schalter vorgedrungen ist, zeigt man seine selbsterstellten Dokumente vor. Diese werden dann geprüft - hat man auch nichts falsch gemacht? Und dann wird das Gepäck eingecheckt.

Halt, ruft da die Organisationsabteilung: wir haben doch einen eigenen Gepäck-Eincheckschalter. Ja, aber der ist nicht besetzt. Das Personal wird wohl zum Überwachen der Warteschlange gebraucht. Oder als Assistenz bei den Selbstbedienungsmaschinen. Auch geht die Schlange langsammer vorwärts, dennn um die Maschinen zu rentabilisieren hat man wohl Schalterpersonal eingespart. Wer von diesem Ereignis noch etwas Energie übrig hat, der darf zur nächsten Hürde, der Handgepäcks- und Personenkontrolle. Lange ist es her, daß ein professioneller Polizist diese durchgeführt hat. Heute ist die Aufgabe der Polizei bei diesem Vorgang wohl nur eher eine Randalierkontrolle. Eine Heerschar angeblich professionell ausgebildeter Sicherheitsexperten kontrolliert die Passagiere nach europäischen oder internationalen Vorschriften. Interessant ist, daß diese Vorschriften in jedem Land anders sind. So muß man in Wien zB. grundsätzlich seinen Gürtel ausziehen, egal ob er bei der Kontrolle piepst oder nicht. In Stuttgart dagegen werden die Schuhe gescannt, denn in der Sohle kann man bekanntlicherweise eine Bombe verstecken. Auch muß man hier den PC aus der Tasche nehmen. Das Handy und das Akkuladegerät dürfen in der Regel in der Tasche drinbleiben. Nicht, weil sie leichter durchleuchtbar sind, sondern weil man beim Vorschriftenschreiben wohl nicht wusste, wie man das Wort schreibt. In Frankfurt kann man eine besondere Kontrolle mitmachen: Wenn der Mitarbeiter, der die Maschine bedienen kann, zufällig da ist und nicht gerade Brotzeit macht, dann wird der Laptop noch einmal besonders geprüft. Mit einem Tuch werden Spuren aufgenommen, die dann in einer speziellen Maschine geprüft werden. So lassen sich Spuren von Sprengstoff nachweisen. Das dauert natürlich etwas. Deshalb werden auch nicht alle Laptops geprüft, sondern eben nur so viele, wie man prüfen kann. Aber keine Angst, PDAs etc. sind vor der Überprüfung sicher, da ist die Vorschrift eindeutig.

Ich frage mich auch nicht, wie denn Träger von Piercings, Ohrringen etc. durch die Kontrolle kommen. Ich habe jedenfalls noch nie gesehen, daß jemand gebeten wurde, ein Nabelpiercing oder sogar ein noch intimeres Metallstück in die Plastikschale zu werfen. Die modernen Maschinen können das anscheinend von einer Waffe unterscheiden. Leider gilt das nicht für meine Armbanduhr, die als verdächtiges Objekt in die Plastikschale muß. Jedenfalls in Wien, für Frankfurt ist ein Uhrenbesitz unverdächtig. Vielleicht ist der Flughafen dort stabiler gebaut?

Vielreisende haben im übrigen auch Taktiken entwickelt, wie sie diese Abhandlungen beschleunigen. Ein Kollege fliegt grundsätzlich nur in Anzug und Krawatte, weil er meint, damit das Bodenpersonal auf respektvollem Abstand zu halten. Meine Beobachtung ist eher, daß man in langem Sari und Turban fliegen sollte. Der Respekt eines deutschen Sicherheitsangestellten vor einer afrikanischen Mutti ist enorm. Da können noch so viele Goldringe und Ketten wallen, da können die Tiefen der Falten Urwalddimensionen haben – die Diskriminierungsdrohung ist so hoch, daß man kaum mit dem Scanner sich anzunähern mag. Das wird natürlich dann bei den nachfolgenden, deutsche Disziplin gewöhnten Männern nachgeholt, da wird das Ding an den Körper gedrückt als ob man so Pistolenkugeln aus den Hautporen pressen könnte.

Die jüngsten Ereignisse haben im übrigen noch eine neue Nuance hinzugefügt: das durchsichtige Sackerl. In dieses ist, so die Norm, alles Flüssige vor dem Flug zu legen. Es sei denn, es kommt aus dem Duty free. Dieses Sackerl betreffend ist im übrigen Wien zu empfehlen, denn dort gibt es dieses gratis. Zum Mitnehmen, und zwar beim Einchecken oder am Kontrolltisch, also wo man es braucht. In Stuttgart muß man dieses Sackerl kaufen. Es ist unbekannt, ob sich Wiener Plastiksackerlschnorrer nach Stuttgart fliegen lassen, um dort die mitgenommenen Wiener Sackerl zu verkaufen. Die Anwendung der Verordnung ist dann wieder sehr komplex: eine Stewardess kann zB mit einem Pappbecher Kaffee ins Flugzeug, ein Passagier aber nicht mit einer Mineralwasserflasche, selbst wenn Sie ins Plastiksackerl passt und aus dem Duty free stammt (oder stammen könnte). Dann kann man sich in den Freuden des Warteraums ergehen. In Deutschland hat man immerhin den Vorteil, daß es schon hier Zeitungen gibt. In den meisten anderen Ländern steht man sich die Beine in den Bauch. Wohl dem, der nicht zu früh kommt. Wer ganz zuletzt kommt, kann im übrigen meist gleich durchgehen.

Die Wartehallen scheinen im übrigen etwas zu sein, was man sich von Bahnhofswartehallen abgesehen hat. Es scheint ein Gesetz zu geben, daß besagt, daß Wartehallen nur für lichtscheues Gesindel geeignet sind und man sie daher so ungemütlich zugestalten hat, daß niemand sich gerne dort aufhält. Kein Vergleich zu den glitzernden Marmor- und Glasalleen der Duty-Free Zone, oder der Imposanz der Eingangshalle. Oder werden Flughäfen so gebaut, daß die Stararchitekten die Eingangshalle entwerfen und die Lehrlinge die Wartehallen? Oder baut man hier schon den Druck auf: die Wachen am Eingang der Warteräume, der Weg ins Flugzeug als einziger Ausweg? So daß der Passagier dann erleichtert aufatmet, wenn er der Wartehalle entronnen im Flugzeug sitzt? Gar nicht schlecht, diese psychologische Flugvorbereitung.

Was dann kommt, hängt vom Land ab. Meist von dem, in daß man fliegt. Bei großen Verbindungen bleibt man auf dem Teppich, dem Teppich des geschlossenen beweglichen Zugangs zum Flugzeug nämlich. Bei kleinen Ländern beginnt der Flug im Autobus, der einen ans Flugzeug bringt. Das Flugzeug ist dann Treppenselbstversorger. Manchmal steigt man auch von der beweglichen Brücke ganz einfach herunter und geht zum Flugzeug. Da wird man dann von einem freundlichen Mann um den Propeller herumgewinkt. Der bewegt sich nicht, könnte sich also nicht wehren wenn man ihn stehlen sollte. Das wird so erfolgreich verhindert.

Die Treppe hinunter und Gehen-Variante hat übrigens den großen Vorteil, daß Menschen unterschiedlich schnell Treppe steigen und daher auch peu a peu am Flugzeug ankommen und einsteigen. Bei der Tunnelvariante dagegen kommt es regelmäßig zu Schlangen vor dem Einsteigen. Den Aufruf nach Sitzreihen hat man im übrigen schon wieder abgeschafft. Zuviel Denke verwirrt. Die Bahn löst das Problem des Einsteigens übrigens so, daß ein Zug zahlreiche Türen hat. Das gilt auch für den Autobus. Bei Flugzeugen ginge das rein theoretisch auch. Zahlreiche Flugzeuge haben übrigens mindestens zwei, sehr oft aber sogar mehrere Türen, vorne und hinten, und auch auf die Tragflächen, von denen man dann mit einer Notrutsche hinunterrutschen kann. Aber das gilt nicht. Da müßte man ja mehrere Gangways haben. Und mehrere lächelnde Stewardessen, die aufpassen, daß kein einsteigender Fluggast ein Glas Saft aus der Galley stiehlt. Den Saft vor dem Flug gibt es übrigens nur für Business Class Flieger. Die anderen können sich nur mit dem tollen Gefühl erfrischen, es, das Einchecken, geschafft zu haben.