4. Organisatorische Aspekte

Kommunikationsdienste bieten zahlreiche Möglichkeiten, um das Kommunikationssystem der Unternehmung zu verbessern. Auf ihre technischen Möglichkeiten wurde bereits eingegangen, diese bewußt zu nutzen, wird ein Ziel der organisatorischen Gestaltung sein.

Neben der technischen Realisierung der angebotenen Möglichkeiten gibt es aber auch noch andere Aspekte, auf die in diesem Kapitel eingegangen wird.

 

4.1. Gestaltungsziele für Kommunikationsdienste

Zunächst sollen jene Gestaltungsziele behandelt werden, die sich zusätzlich zur technischen Realisierung ergeben.

4.1.1. Integration

Eine Problematik der Kommunikationsdienste liegt darin, daß es für Teilbereiche eindeutige Lösungsmöglichkeiten gibt, diese aber für jede Teilaufgabe divergieren.

So könnte für einen Automobilhersteller die Kommunikation mit den Lieferanten am besten über EDI erfolgen, mit den Händlern über Telebox und mit den Kunden über BTX. Inhouse wäre ein FAX-Netz die am leichtesten implementierbare Lösung, zu den Fabriken wünscht sich der Vorstand eine Satelliten-TV Verbindung, die Rechtsabteilung hätte gerne eine CD-ROM, die Marketingabteilung Zugang zu Online-Datenbanken etc. Dazu kommt noch eine Flut von Berichten, Handbüchern, Anweisungen, Hinweisen, Meldungen etc., die auf Papier abgewickelt werden.

Was kann das Ziel einer Optimierung sein und welcher Kommunikationsdienst ist der beste?

Es gibt keinen "besten" Dienst, der allen Anforderungen gerecht wird, aber eine Reihe von guten Kombinationen. Eine gute Kombination ist beispielsweise ein Hauptträger, der einfach zu bedienen, einen Großteil der Kommunikationen rasch und kostengünstig abwickelt. Er ist offen für Ergänzungen und Spezialanwendungen in Teilbereichen.

Die Integration der verschiedenen Dienste ist dabei weniger ein technisches, als ein organisatorisches Problem. Die Kombination muß vom Benutzer geschaffen und genutzt werden, wobei die Aufgabe zu lösen ist, den Benutzer entsprechend zu schulen und ihn von der für ihn günstigsten Lösung zu überzeugen.

Der Rückstand der Integration im Vergleich zu den Möglichkeiten kann aus der Studie von Töpfer/Lechelt erkannt werden: Von den Befragten gaben 72 % an, Textverarbeitung einzusetzen, 31 % sogar umfassend. Aber nur 43 % setzen einen weitergehenden Kommunikationsdienst wie FAX, Teletex oder Electronic Mail ein, wo die erstellten Dokumente elektronisch weiterversendet werden könnten.

 

4.1.1.1. Die technische Integration

Das erste Problem jedes Einsatzes von Kommunikationsdiensten ist die technische Integration des jeweiligen Dienstes in die Benutzerumgebung. Das heißt, daß dem Endbenutzer ein Anschluß "auf Knopfdruck" zur Verfügung stehen muß. Mit einer Taste sollte die Verbindung zum jeweiligen Dienst, der Datenbank oder dem Telefax (bei Faxen vom PC) hergestellt sein.

Diese scheinbar selbstverständliche Tatsache ist in der Praxis nicht immer gegeben. Am ehesten geschieht dies beim FAX-Gerät, welches von einem Techniker an das Telefonnetz angeschlossen wird: man muß nur mehr das Dokument einlegen, die Nummer eintippen und auf "Start" drücken. Bei Electronic Mail, BTX, Telebox etc. ist die Integration komplexer. Modems müssen angeschlossen und individuell eingestellt werden. Weiterhin muß softwareseitig der Logon-Prozedur entwickelt, gespeichert und in die Benutzerführung integriert werden. Spätere Änderungen sind möglich. Damit steht der Benutzer erst "am Eingang" eines oft unvertrauten Dienstes. Hier erst setzt oft die Schulung und Nachbetreuung an. Erschwert wird die Integration durch die gemeinsame Zuständigkeit unterschiedlichster Personen, vom Hardware- über den Software- bis zum Kommunikationsdienstbetreuer. Dazu kommt noch die organisatorische Gestaltung, die durch die Bedürfnisse der Benützer beeinflußt wird. Die Untersuchung von Töpfer/Lechelt bestätigt dies und zeigt auf, daß wenn es zu großen Problemen bei der Einführung kam, diese sehr häufig bei der Integration in bestehende Konzepte sowie der Anpassung von Hardware und Software lagen.

4.1.1.2. Einsatzvoraussetzungen

Bevor es zu einem Einsatz von Kommunikationsdiensten kommen kann, müssen gewisse materielle und organisatorische Grundvoraussetzungen geschaffen sein.

Materiell sind es der Anschluß an ein Kommunikationsnetz - das wird in der Regel ein Telefonanschluß sein - und eine gewisse Geräteausstattung mit EDV-Geräten.

Daneben muß ein entsprechend qualifizierter Mitarbeiterstab vorhanden sein. Dies bedeutet nicht, daß weniger qualifizierte Mitarbeiter (die z.B. die deutsche Sprache schlecht beherrschen) keine Kommunikationsdienste einsetzen können, sondern daß diese Dienste dann auf diese Mitarbeiter abgestimmt werden müssen. Die Qualifikation für Kommunikationsdienste hat im übrigen nicht unbedingt etwas mit der sonstigen Qualifikation zu tun: die wenigsten Führungskräfte können Maschineschreiben, was eine Voraussetzung zur effektiven Bedienung konventioneller EDV-Tastaturen ist.

Wichtiger sind aber Voraussetzungen wie die Bereitschaft, für Kommunikationsdienste Mittel zur Verfügung zu stellen, Kommunikationsdienste als Dienste zu betrachten, die ständig fortentwickelt werden müssen, der Wille, die Kommunikationsdienste auch auf der höchsten Ebene zu verwenden sowie auch die notwendigen anderweitigen Veränderungen durchzusetzen.

Das Management befürwortet oft einen massiven Einsatz der EDV. So sagten bei der Umfrage von Töpfer/Lechelt 79 % der Befragten, daß die Initiative bei der Einführung von Bürokommunikation von der Geschäftsleitung gekommen sei. Einsatzmöglichkeiten werden allerdings nicht beim Topmanagement selbst gesehen. In den USA haben von den 500 bestverdienenden Managern nur 59 einen eigenen Bildschirm im Büro. Laut einer Untersuchung in der BR Deutschland bedienen weniger als 30 % der Manager selbst ein Terminal. Zwei Drittel der Befragten erklären, zuwenig von modernen Techniken zu wissen. Rund 30 % sehen es nicht als ihre Aufgabe an, einen Computer selbst zu bedienen. Die wenigsten Top-Manager, sogar in Computerfirmen, wollen "Sekretariatstätigkeiten" selbst übernehmen. Dies ist für sie auch ein Imageproblem (neben den fehlenden Kenntnissen des Maschineschreibens und der fehlenden Zeit für eine gründliche Einschulung). Unterschiede gibt es auch zwischen verschiedenen Abteilungen: EDV-Abteilungen und Techniker sind oft fortschrittlicher, da sie die entsprechenden Anlagen bereits gewohnt sind. Die Kreditabteilung einer Bank dagegen ist oft das konservative Zentrum: gewohnt, alle Texte einer Sekretärin zu diktieren, ist hier die Ablehnung gegenüber "do it yourself" am größten.

 

4.1.1.3. Die Auswahl der Dienste

Fast immer können verschiedende Kommunikationsdienste parallel genutzt werden. So hat ein Benutzer z. B. die Auswahl zwischen der Kommunikation per Brief, Telefon oder Telefax.

Die Auswahl zwischen diesen Diensten steht dem Benutzer frei. Er kann zwar in gewissen Grenzen gesteuert werden, z.B. durch die Zurechnung von Kosten einzelner Kommunikationsdienste oder durch Anweisungen. Eine Kontrolle ist allerdings kaum möglich.

Ausgenommen hiervon sind standardisierte Kommunikationen, z.B. Bestellungen, Anträge etc. Hier können z.B. Formulare oder Computereingaben verlangt werden, die auf bestimmten Wegen zu übermitteln sind. Die Durchsetzung der Kommunikationsstandards erfolgt, indem die gewünschte Leistung aufgrund des falschen Kommunikationsweges nicht oder nur verzögert erbracht wird. Dies setzt eine gewisse "Machtstruktur" voraus (z.B. die leistende Abteilung kann den falsch eingebrachten Antrag eine Zeit ignorieren).

Für andere Formen der Kommunikation hat der Benutzer also die freie Wahl. Er wird das Kommunikationmittel wählen, welches das von ihm gewünschte Kommunikationziel

sowie

erreicht. Während die ersten Punkte fast immer internalisiert sind, ist dies bei den letzten Punkten nicht der Fall.

Auf der Suche nach der optimalen Kombination und der Integration verschiedener Dienste tritt die Frage auf, wie verschiedene Dienste kombiniert werden können. Manche Dienste ergänzen sich, manche schließen sich gegenseitig aus.

 

4.1.1.4. Komplementäre und substitutive Kommunikationdienste

Komplementäre Kommunikationdienste sind solche Kommunikationsdienste, die sich gegenseitig in ihrer Anwendung ergänzen. Für eine Kommunikation können beide Dienste gleichzeitig verwendet werden, ohne daß die doppelte Kommunikationarbeit anfällt. Dies geschieht einerseits durch technische Dienstübergänge, andererseits können gleiche Informationen auf mehrere Arten übermittelt werden. Komplementäre Kommunikationsdienste erlauben einheitliche Arbeitsweisen.

 

 

 Komplementäre und Substitutive Kommunikationsdienste

Ersteller:

Telefon

Brief

Telex

Fax

E-Mail

Voicemail

Kurier

Telefon

-

S

S

S

S

K

S

Brief

S

-

S

K

K )1

S

K

Telex )2

S

K

-

K

K

S

K

Fax )2

S

K

S

-

S

S

K

E-Mail

S

K

K

K

-

S

K

Voicemail

K

S

S

S

S

-

S

Kurier

S

K

S

K

S

S

-

 

S: Substitutiv

K: Komplementär

)1

falls per EDV erstellt

)2

falls die Geräte kombiniert sind

 

Beispielsweise sind Telefax und Briefkommunikation komplementär. Man kann ohne Mehraufwand zwei Kopien eines Rundschreibens per Post und zwei weitere per Telefax versenden. Ausdrucke von Telexgeräten können ohne hohen Aufwand per Fax weiterverschickt werden.

Substitutive Kommunikationdienste sind solche Dienste, bei denen die Benutzung von zwei oder mehreren Diensten zur Übermittlung derselben Information einen bedeutenden Mehraufwand gegenüber der Benutzung eines einzelnen Dienstes bedeutet, es sind erheblich mehr und unterschiedliche Arbeitsschritte erforderlich. So muß eine gefaxte Nachricht noch einmal in ein Telexgerät eingegeben werden, um weiterverschickt zu werden.

Für die Erreichung der Ziele, die mit der Bereitstellung eines gewissen Kommunikationdienstes gesteckt wurden, ist dieses Faktum sehr bedeutsam. Komplementäre Kommunikationdienste haben eine einfachere Akzeptanz als substitutive und werden eher vom Sender der Information gewählt. Der Empfänger hat in der Regel keine direkte Einflußmöglichkeit auf die Wahl des Kommunikationsdienstes. Er kann aber durch eine mehr oder weniger rasche Reaktion eine Rückkoppelung zum Sender auslösen, die diesen wieder bei der nächsten Wahl des Kommunikationsdienstes beeinflußt.

Gründe für die verschiedene Akzeptanz sind, daß ein substitutiver Kommunikationsdienst nur mit höherem Aufwand eine Verbindung zu allen Kommunikationsteilnehmer herstellt. Ein unterschiedlicher Kenntnisstand in der Benutzung kann bei komplementären Kommunikationdiensten ausgeglichen werden, bei substitutiven nicht. Komplementäre Dienste haben auch Kostenvorteile (so können Zentralstellen mit FAX ausgestattet werden, Nebenstellen per Brief erreicht werden).

Beim Einsatz neuer Kommunikationsdienste in Kombinationen mit alten ergeben sich Schwierigkeiten, die zu einer Beharrung auf dem alten System und zu einer de-facto Nichtimplementierung des neuen Systems führen. Investitionen gehen verloren, die Ziele des Einsatzes neuer Kommunikationsdienste werden nicht erreicht.

Die folgenden Darlegungen führen einige Gründe an:

Die drei Kommunikationpartner A, B und C kommunizieren miteinander. Es werden Schriftstücke ausgetauscht, die sich in Mitteilungen (z.B. von A zu B) und Rundschreiben (z.B. von A an B und C) einteilen lassen.

Vereinfachend wird angenommen, daß es sich um Aktenstücke handelt, die mit der Hauspost weitergeleitet werden.

 

Dabei werden versandt:

 

Anzahl der Kommunikationen

 

zu A

zu B

zu C

Rundschreiben

Gesamt

von A

-

2

1

1

4

von B

5

-

30

3

38

von C

7

37

-

5

49

Gesamt:

12

39

31

9

91

incl. Rundschreiben

20

45

35

 

100

 

Die derzeitige Kommunikation (z.B. Hauspost) soll durch einen neuen dazu substitutiven Dienst (z.B. E-Mail) ersetzt werden. Es werden nur die internen Kommunikationsabläufe betrachtet. Da jedes Rundschreiben an zwei Empfänger geht, gibt es insgesamt 100 Schriftstücke oder Kommunikationen.

Wieviele Kommunikationen werden mit dem neuen System durchgeführt werden?

Es wird angenommen, daß aus internen Gründen nicht alle Abteilungen mit dem neuen Kommunikationsdienst ausgestattet werden. Nur Abteilungen mit hohem Kommunikationsanteil sollen diese Ausstattung bekommen. Abteilungen mit hohem Kommunikationsanteil sind B und C.

Es hat zunächst den Anschein, daß dieser Dienst für 95 Kommunikationen (35 + 44 + 3*2 + 5*2) benutzt werden kann. Dies ist falsch, denn eine Kommunikation mit der Abteilung A ist nicht möglich. Wird der neue Dienst verwendet und soll mit A kommuniziert werden, ist aufgrund des substitutiven Charakters des neuen Dienstes ein erhöhter Aufwand nötig und wird daher vom Absender bei freier Wahl nicht erfolgen.

Es können somit bei substitutiven Diensten nur die Kommunikationen mit dem neuen Dienst durchgeführt werden, die ausschließlich zwischen an diesen angeschlossenen Abteilungen durchgeführt werden, also 67.

Dies berücksichtigt nicht, daß Benutzer einheitliche Arbeitsweisen anstreben und manchmal Ergebnisse aus empfangenen Dokumenten in neu zu erstellende Dokumente einfließen lassen. So wird ein Sachbearbeiter der Abteilung B nicht einen Brief an die Abteilung C einmal per E-Mail erstellen wollen und einen ähnlichen Brief an die Abteilung A mit einer Textverarbeitung und per Hauspost verschicken. E-Mail Nachrichten von B an C können dort bearbeitet und mit dem gleichen Dienst an B wieder zurückgesendet werden, bei einer Weiterleitung an A müssen sie jedoch ausgedruckt oder in ein Briefdokument umformatiert werden. Die Anzahl der umstellbaren Kommunikationen verringert sich also abermals.

Die bisherigen Erläuterungen haben bisher den Faktor Mensch noch nicht berücksichtigt. Einerseits gibt es beim Einsatz von neuen Kommunikationdiensten gewisse Akzeptanzprobleme, weiterhin ist ein mehr oder weniger hoher Lernaufwand für den Umgang damit verbunden und schließlich ist der Einsatz dieser Dienste für unterschiedliche Personen unterschiedlich sinnvoll. Schließlich muß der Adressat annehmen, daß der Empfänger die Kommunikation auch technisch (sie wird übermittelt) und praktisch (er nimmt sie zur Kenntnis) erhält. Der Kommunikationsdienst wird also nur dann benutzt werden, wenn der Adressat benutzungswillig und -fähig ist und er dies auch vom Empfänger zumindest annimmt. Nur wenn alles dies gegeben ist, kann gelten:

 

Die Menge der realistisch umstellbaren Kommunikationen ist die Menge der ausschließlich zwischen den angeschlossenen Abteilungen abgewickelten Kommunikationen gleicher Form, wenn die Kommunikationsteilnehmern gleich benutzungswillig und -fähig sind.

 

Die Auswirkungen dieser These sind, daß bei einer nicht 100%igen Ausstattung aller Kommunikationsteilnehmer mit den gleichen Geräten die Nutzungsmöglichkeiten der neuen Kommunikationsdienste rapide absinkt. Mit einem sinkenden Anteil wird aber auch die Anzahl der Kommunikationen gleicher Form, und mit einer geringeren Einsatzmöglichkeit wird auch die Akzeptanz generell absinken.

Dies spricht für eine umfassende Einbindung aller Betroffenen in neue Kommunikationssysteme. Es ist jedoch zu beachten, daß dies nicht einfach durchsetzbar ist. Dies gilt besonders dann, wenn wesentliche Kommunikationspartner außerhalb des Unternehmens stehen. Handelt es sich um ein Unternehmen mit relativ wenigen Partnern und einer relativ starken Stellung diesen gegenüber (z.B. ein Automobilhersteller mit relativ wenigen Zulieferern oder einer starken Position gegenüber seinen Händlern), wird dies eher gelingen als einem Unternehmen, daß sich einer atomistischen Klientel (z.B. eine Sparkasse) oder einem dominierenden Partner (z.B. staatlichen Behörden) gegenübersieht. In diesem Fall muß abgewartet werden, welche Dienste sich unabhängig von den eigenen Aktivitäten durchsetzen oder welche Initiativen der stärkere Partner unternimmt.

Für die Auswahl und organisatorische Umsetzung bedeutet dies wiederum, daß