Maximilian von Habsburg,
Kaiser von Mexiko

 

Um 1860 traf eine Gruppe reicher mexikanischer Emigranten in Europa ein, die vor der Juarez-Revolution geflüchtet waren. Katholisch und konservativ eingestellt, suchten sie in Europa Unterstützung für ihren Plan, in Mexiko eine Monarchie einzurichten. Sie brauchten Geld, Truppen und einen echten europäischen Fürstensohn. Der Revolutionäre Präsident Juarez hatte 1861 alle Schuldenrückzahlungen an Frankreich gestoppt, denn das Land befand sich in einer großen Finanzkrise. Mexiko hatte sogar große Landesteile an die USA verkaufen müssen. Doch die Pariser Finanzkreise wollten ihre gewährten Kredite bekommen. Napoleon III. gab den Emigranten Truppen, französische Finanzkreise sagten ihre Hilfe zu. Die Franzosen unterstützten die Konservativen im Bürgerkrieg mit den Radikalen und besetzten die Hauptstadt. Sie hatten eine Ausweitung Frankreichs auf dem amerikanischen Kontinent in der Nähe der vom Bürgerkrieg zerrissenen Vereinigten Staaten von Amerika im Sinn.

Der Bruder des Kaisers Franz Josef, Erzherzog Ferdinand Max, scheint der geeignete Kandidat zu sein. Er ist mit der belgischen Prinzessin Charlotte verheiratet. Als Kommandant der österreichischen Marine und Generalgouverneur von Mailand konnte er sich nicht nach seinen Vorstellungen verwirklichen. Frohsinnig, poetisch, Liebhaber von großen Gesten, ein Kaiserthron ist verlockend für ihn. Außerdem war er ehrlich davon überzeugt, in Mexiko einem Land Bestimmung und Frieden bringen zu können.

1863 wird der ehrgeizige, von romantischen Ideen erfüllte Maximilian auf Betreiben Napoleon III. und seiner Ehefrau Charlotte zum Kaiser von Mexiko ausgerufen. Charlotte sah sich als Mitregentin, vielleicht sogar als die eigentliche Herrscherin, sie forderte ihren Mann auf, doch endlich seinen Mann zu stehen - in Mexiko. Vielleicht wollte sie auch nur aus der Langweile des Schlosses Miramar und dem Schatten der schöneren Kaiserin Elisabeth ausbrechen.

Mexikaner-LeutnantDer Hof steht dem Abenteuer ablehnend gegenüber, Maximilian mußte auf den österreichische Thronfolge verzichten. Eine Reihe von österreichischen Freiwilligen folgen ihm in das Abenteuer. Ihre Uniformen erweckten den Spott der Gassenjungen: "Mexikaner - mag sie kaner" rief man den Soldaten nach. Am 14. April 1864 stach die österreichische Fregatte Novara mit dem Kaiserpaar in See. Auf der Überfahrt bereitet das Ehepaar das Protokoll vor: Wie man sich bei einer Audienz verhalten müsse, wie die Gäste beim Hofdiner zu platzieren seien, welche Orden verliehen werden können, wie die Palastgarde uniformiert sein sollte.

 

Aber der Kaiser fand nur wenige Anhänger und eine verschuldete Regierung vor. Das mexikanische Kaiserreich blieb auf eine beträchtliche Anzahl von Generälen, Ministern, Kammerherren, Hofdamen, Stallmeistern, Leibärzten, Lakaien, Kutschern, Köchen, Gärtnern und Palastwachen beschränkt, plus einige Großgrundbesitzer, Geschäftsleute und Glücksritter, die davon profitierten. Maximilian bereiste mit einem Sombrero auf dem Kopf das Land, gab Staatsbankette und verteilte Orden. Er adoptierte einen kleinen mexikanischen Jungen an Sohnes statt, seine Mutter forderte ihn später wieder zurück.

Die Republikaner aber wurden stärker und drangen vor. Wien stand kurz vor dem Krieg gegen Preußen und Italien, ließ nur eine beschränkte Freiwilligenanwerbung zu. Aber man schickte aus den kaiserlichen Sammlungen das Schild von Montezuma und den Bericht von Cortez an Karl V., wie er dem Azteken Schild und Herrschaft genommen hatte.

Ferdinand Max und Charlotte von Belgien Die USA ergriffen im Sinne der Monroe-Doktrin ("Amerika den Amerikanern") die Partei der Gegner Kaiser Maximilians. Sie forderten und erreichten, daß die Anwerbung von Freiwilligen in Österreich eingestellt wurde, 2 000 bereits eingeschiffte Legionäre mußten wieder and Land gehen. Mit dem Sieg der Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg fiel 1865 auch in Mexiko die Entscheidung.

Kaiserin Charlotte suchte vergebens um Hilfe. Sie kam nach der Schlacht von Königgrätz in Europa an. In Paris, welches einen Beistandsvertrag mit Mexiko geschlossen hatte, bekam sie von Napoleon III. den Bescheid, "Es wäre gut, wenn sich ihre Majestät keinen Illusionen hingäbe". Napoleon wollte kein weiteres Geld in eine aussichtslose Sache investieren. Nach Wien fuhr sie erst gar nicht. Franz Josef wollte nichts von seinem Bruder hören, und schon gar nicht, seitdem die Wiener nach dem verlorenen Krieg gegen Preußen "Hoch lebe Kaiser Maximilian" gerufen hatten, der ihnen als liberalerer und besserer Kaiser von Österreich schien. Ihre letzte Hoffnung war der Papst, der Napoleon und Franz Josef ins Gewissen reden, ein Konkordat mit Mexiko abschließen und den mexikanischen Klerus überzeugen könne. Doch Pius IX. wollte für sie nur beten. Charlotte verfiel in Verfolgungswahn, lief eines Abends aus dem Hotel und verlangte Nachtquartier im Vatikan. Ihr Bruder brachte die zunehmend Geistesgestörte nach Miramar.

Die Franzosen zogen sich zurück. Maximilian war schon auf dem Weg zurück nach Österreich, wurde aber von belgischen und österreichischen Beratern sowie dem umtriebigen Pater Fischer umgestimmt, den Thron nicht aufzugeben. Selbst seine Mutter forderte ihn nun auf, auszuharren, solange dies "mit Ehren geschehen könne". Seine Frau hatte vor ihrer Abreise in einer Denkschrift an ihn geschrieben "Abdanken heißt, sich selbst verurteilen, sich selbst ein Unfähigkeitszeugnis ausstellen, und das ist nur annehmbar bei Greisen und Blödsinnigen, das ist nicht Sache eines Fürsten von 34 Jahren voller Leben und Zukunftshoffnungen."

Aber seine Streitkräfte waren gering und wenig motiviert. Am 15. Mai 1867 übergab Maximilian seinen Degen dem Partisanenführer Escobedo. Er wurde gefangengenommen. Er hätte fliehen können, doch er hatte sich geweigert, seine treuesten Offiziere zu verlassen. So wurde er zu Tode verurteilt. Im Gefängnis klagte er noch kurz vor seiner Hinrichtung, er sei hier, weil er seiner Frau gefolgt sei.

Nun setzte sich die Diplomatie in Bewegung, um zu Verhindern, daß ein Mitglied der europäischen Herrscherdynastie wie ein einfacher Mörder erschossen werden würde. Franz Joseph setzte Maximilian wieder in die Thronfolge ein und bat den amerikanischen Außenminister um Vermittlung.

Am 19. Juni 1867 wurde er auf dem Cerro de las Campanas, einem kakteenbewachsenen Hügel vor der Stadt Queretaro zusammen mit den Generälen Miguel de Miramon und Thomas Mejia - letzterer indianischer Abstammung - hingerichtet, knapp 350 Jahre nach der Ermordung Montezumas durch spanisch-habsburgische Söldner. Maximilian überreichte noch jedem Soldaten des Exekutionskommandos ein goldenes Zwanzigpesostück.

Er war ein Idealist, ein Mensch voller Liberalität und hatte ehrlich gehofft, dem mexikanischen Volk Freiheit und inneren Frieden bringen zu können "Eine Gestalt schönsten, reinen Rittertums, die emporstrebende Seelen lehren werde, daß es etwas Höheres gebe als das bloße Leben und dessen Genuß" schrieb Adalbert Stifter.

Der Vizeadmiral Wilhelm von Tegetthoff hatte die Aufgabe, die Leiche mit der Fregatte Novara im September 1867 heimzuholen. Juarez gab sie erst heraus, als er ein schriftliches Ersuchen der österreichischen Regierung, eine offizielle Distanzierung Wiens zum mexikanischen Kaiserreichs und eine Anerkennung des republikanischen Regimes erhalten hatte. 

Vor dem Transport war das über seinem Antlitz angebrachte Sargfenster zerbrochen, die Scherben hatten seine Nase zerschnitten. Der Bart war von Souvenirjägern gestutzt worden. "Das Gesicht ist schrecklich entstellt, fletschende Zähne und hervorstechende Augen, die man, wie ein Zeitungsblatt neulich meldete, von einer heiligen Ursula ausborgte." Am Abend des 17. Januars 1868 erreichte der Leichnam Wien. Es schneite, man hörte Walzerklänge aus den Fenstern - Wien feierte Fasching. 

Nach und nach trafen der österreichische Konsul mit seinem Testament, seine alte Köchin mit seinem Hut und blutgetränktem Taschentuch und zuletzt seine Adjutanten und Soldaten in Wien ein. Im September kamen schließlich drei Individuen, die sich Pater Roccatani, Antonio de la Rosa und Don José Maroto nannten und als Anhänger von Maximilian ausgaben. Sie baten um eine Audienz beim Kaiser, um ihm ein unbezahlbares Geheimnis anzuvertrauen. Sie würden fünf Millionen Silbergulden benötigen, um im Experiment die Formel zur Verwandlung von Silber in Gold zu zeigen. Franz Josef berief einen Chemieprofessor des Polytechnikums, der den Versuchen beiwohnen sollte, es gelang ihnen immerhin, 90 000 Gulden zu ergattern, bevor der Schwindel aufflog.

Charlotte wurde 1867 nach Belgien heimgeholt, sie sollte nicht in den Händen der Habsburger bleiben. Sie lebte bis Januar 1927 im Schloß Bouchout bei Brüssel, überlebte die Bonapartes und die Habsburger. Von ihren Eltern und von ihrem Mann hatte sie ein großes Vermögen, welches sich bei den geringen Ausgaben ständig vermehrte. Einmal im Jahr trafen sich ein belgischer Vertreter und der k.u.k. Gesandte, um sich über die Verwaltung dieses Vermögens zu unterrichten.

Die diplomatischen Beziehungen zwischen Mexiko und Österreich wurden abgebrochen. Dies änderte sich erst nach 1900. 1938 war Mexiko das einzige Land, daß gegen die Annektion Österreichs durch Deutschland protestierte.

In der Wiener Schatzkammer kann man noch einige Insignien sehen, mit denen Kaiser Maximilian seine Getreuen ganz im Stil der Habsburgermonarchie auszeichnete. Sein Tod war die Besiegelung der Kolonialepoche in Lateinamerika, die mit dem Habsburger Karl V. begonnen hatte und mit dem Habsburger Maximilian I. beendet wurde.