Photo von Robert S. Semeniuk © The Stock Market - MS World Atlas

Fluß im leicht hügeligen Land um Verkhna, etwas südlich von Lemberg

 

Galizien kommt zu Österreich

Nach der ersten polnischen Teilung 1772 wird der Teil, der Österreich zugefallen war, als “Königreich Galizien und Lodomerien” eingegliedert. Kaiser Josef II., der trotz des Widerstandes seiner Mutter Kaiserin Maria Theresia besonders auf diese Teilung hingearbeitet hatte, hat nun, da er zugleich Kaiser des römischen deutschen Reiches war, eine Kolonisierung des neu erworbenen Königreiches in die Wege geleitet haben und dazu auch Kolonisten aus dem deutschen Reichsteil geworben haben.

Nach Ausschreitungen in den 13 Zipser Städten, die einst im Frieden von Lublau (1412) von Ungarn an die Krone Polen verpfändet worden waren, marschierten – übrigens auf Aufforderung des polnischen Königs – österreichische Truppen ein, die die Besetzungsaktion aber auf drei altpolnische Starosteien (Bezirke) mit dem wertvollen Salzbergwerk von Wielicka ausdehnten. Der Anteil an der ersten Teilung Polens wurde in einem nach den alten ruthenischen Fürstentümern Halicz und Wladimir “Königreich Galizien und Lodomerien” genannten Kronland mit der Hauptstadt Lemberg zusammengefaßt, das von den Ostgrenzen Schlesiens bis zum Bug reichte, im Westen polnisch und im Osten ruthenisch besiedelt war und namentlich der Landwirtschaft gute Entwicklungs­möglichkeiten bot. (Quelle: Erich Zöllner, Geschichte Österreichs IV 1970)

 

Landwirtschaft und Bodenschätze

Galizien wird 1835 beschrieben als weitläufig fruchtbare Ebene, in der Getreide, Hirse, Mais, Flachs, Hanf und Tabak angebaut wird, bei Lemberg auch Rhabarber. Es gab Herden von großen grauen Rindern und es wurden dauerhafte Pferde und Bienen gezüchtet (Quelle: Österreichische Nationalencyklopädie 1835) Es ist ein Hügelland, mit Erdöl-, Erdgas-, Salz-, Steinkohle-, Blei- und Zinkerzlagerstätten.

Einige Bilder der Region können dem site http://www.bialystok.uw.gov.pl/ über die Region Bialystok entnommen werden.

 

Einwanderung von deutschen Kolonisten nach Galizien

Was waren die Hintergründe für die Ansiedlung von Einwanderern? Maria Theresia hatte Schlesien an Preußen verloren, und das brachte den Verlust der dortigen Industrien (Quelle: Robert Kann, A history of the Habsburg Empire). Was lag also näher, als im Einvernehmen mit Rußland und Preußen einen Ersatz zu suchen? Aber: Die Akquisition von Galizien 1772 veränderte das ethnische Gleichgewicht der Monarchie, die Gebiete nördlich und nordöstlich der Karpaten waren auch geographisch vom Rest der Monarchie getrennt. Die dort lebenden Polen waren Teil einer großen und politisch-kulturell unabhängigen Nation. ..  Maria Theresia und besonders Joseph II. versuchten, die Galizische Wirtschaft auf das Niveau der benachbarten Gebiete zu heben. Immigranten, besonders aus Süddeutschland, wurden ermutigt. Sie waren steuerbefreit, ihre Kinder mußten keinen Militärdienst leisten, erhielten Baumaterial und landwirtschaftliche Verbesserungen wurden gefördert. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse konnten zollfrei nach Böhmen exportiert werden. Dies alles im Geiste der Aufklärung, der Juden neue Rechte einräumte, aber vor allem auf Zweckmäßigkeit achtete: Die Auswanderung wurde erschwert, die Einwanderung erleichtert. In Ungarn, Siebenbürgen und Galizien entstanden deutsche Kolonien als Vorbilder für die Einheimischen. Die Juden, deren Hab und Gut 100 Gulden nicht überstieg, suchte die Regierung los­zu­werden, weshalb sie ihnen erlaubte, ohne Paß auszuwandern.; .. Die Entwicklung neuer Fabriken, besonders von Ausländern, wurde erleichtert. (Quelle: Richard Kralik, Das josefinische Österreich, in “Österreichische Geschichte”, Wien 1914, S. 240)

Glenn Linscheid schreibt über diese Besiedelung: "Galizien war hauptsächlich eine agrarische Gesellschaft, unterentwickelt, mit einer armen und ungebildeten Landbevölkerung. Große Teile des Grundbesitzes gehörten der Kirche oder Aristokraten. Der Polnische Adel hielt Jagd oder andere Vergnügen für wichtiger als die Entwicklung des Landes und der Bevölkerung. Galizien war wild und ungezähmt." Glenn Linscheid: "Mennonite Historian" Vol.XXI, No. 3, September 1995, S 1-2. 

Einzelheiten zur zweiten Einwanderungswelle, zur Landwirtschaft und den Neuerungen finden sich in Pfälzer Privatansiedlungen im Nordosten Galiziens von Horst Machmer www.machmer.de

 

 

 

Literarischer Auszug aus Radetzkymarsch von Joseph Roth

"Die Strahlen der habsburgischen Sonne reichten nach dem Osten bis zur Grenze des russischen Zaren. Siebzehn Stunden saß Leutnant Trotta im Zug. In der achtzehnten tauchte die letzte östliche Bahnstation der Monarchie auf. Schon blühten die Veilchen in den feuchten Wäldern. Schon quakten die Frösche in den unendlichen Sümpfen. Schon kreisten die Störche über den niederen Strohdächern der dörflichen Hütten. Sumpfgeborene waren die Menschen dieser Gegend. Denn die Sümpfe lagen unheimlich ausgebreitet über der ganzen Fläche des Landes, zu beiden Seiten der Landstraße, mit Fröschen, Fieberbazillen und tückischem Gras, das den ahnungslosen Wanderern eine furchtbare Lockung in einen furchtbaren Tod bedeutete. Und in der weltfernen, sumpfen Öde der Garnison verfiel der und jener Offizier der Verzweiflung, dem Hasardspiel, den Schulden und finsteren Menschen. Die Friedhöfe der Grenzgarnisonen bargen viele junge Leiber schwacher Männer."

 

Literarischer Auszug aus Oberst Redl von Heinz Rieder

"Die Hauptstadt Lemberg erinnerte an Wien. Mit hohen Zinshäusern, vorspringenden Simsen, Karyatiden beiderseits der Portale und Balkonen mit verschnörkelten Eisengeländern. In den Hauptstraßen rumpelten die Bauernkarren, primitiv gebaut und kotbespritzt, über das Kopfsteinpflaster, darauf über Gemüse- und Kartoffelsäcken sitzend die bärtigen Bauern, die Fellmützen schief über die Ohren, die Bäuerinnen mit ihren bunten Kopftüchern, Kaftanjuden mit Schläfenlocken, kunstvoll gedreht, die wippten, wenn sie einander zunickten. Fast ein Drittel der Einwohner Lembergs waren Juden. Ein Park: keine Rosenbosketten, kaum Andeutungen von Blumenarrangements, ein paar dürftige Sträucher. Ein Restaurant: fleckige Tischtücher, die Gedecke nicht ordentlich, verschmuddelte Servietten, die Kellner in speckigen und zerknitterten Fracks. Die Wände waren einmal weiß, in den Lüstern hängen Spinnweben. Außerhalb des Stadtkernes sagten sich Fuchs und Hase gute Nacht. Man brauchte mit dem Stellwagen gar nicht weit zu fahren, bis man die Straßen sich in einem Kotmeer verlieren sah, eingesäumt von den strohgedeckten, ärmlichen Holzhütten rechts und links, die Bretter über die grundlosen Pfützen gelegt, auf denen man von Haus zu Haus balancierte."

 

Auswanderung aus Galizien:

Der Traum Josef II. vom reichen Land hatte sich nicht erfüllt. Zahlreiche Bewohner wanderten in andere Landesteile oder nach Amerika aus. Auf dem Höhepunkt der Auswanderung verlor Galizien in zehn Jahren 6.6 % seiner Bevölkerung, die meisten in der Altersklasse der 20 – 40jährigen! Im ersten Weltkrieg war die Gegend Kriegsgebiet, nachher siedelte ein Teil der Bevölkerung um.