Das Wiener Café
 

Der Geschichte nach geht das Wiener Café auf die Türkenkriege zurück. Dies mag falsch sein, und es könnte schon früher Kaffeehäuser in Wien gegeben haben. 1647 gab es eines in Venedig, 1650 in Oxford, 1672 in Paris und 1696 in New York. Aber während das Kaffeehaus in anderen Ländern eine "schnelle" Einrichtung ist - das französische Bistro kommt vom russischen "Schnell" - steht in Österreich die Zeit still, und daher die traditionelle Geschichte aus der Zeit der Türkenkriege:

Anfang Juli 1683 hatte die zweite Türkenbelagerung begonnen, auf die die Stadt kaum vorbereitet war. In den frühen Septembertagen 1683 konnte die Stadt kaum noch standhalten. Die Menschen waren völlig erschöpft. Die türkische Artillerie hatte riesige klaffende Löcher in die Mauern gerissen. Es mangelte an Munition; Granaten gab es überhaupt keine mehr, und die Kugeln, die in die Strassen fielen, mussten rasch wieder aufgesammelt und wieder verwendet werden.

Als man einen Freiwilligen suchte, der die türkischen Linien überschreiten und dem kaiserlichen Heer Nachricht von der verzweifelten Lage der Stadt überbringen sollte, meldete sich ein Serbe namens Kolschitzky, der bei der Levante-Gesellschaft angestellt gewesen war und fließend Türkisch sprach. Als Türke verkleidet wurde Kolschitzky bei Einbruch der Nacht aus dem Ausfalltor geführt. Kühn singend, spazierte er zwischen den türkischen Zelten umher. Ein Aga rief ihn an und lud ihn auf eine Tasse Kaffee in sein Zelt ein. Kolschitzky unterhielt sich kaltblütig mit dem Aga, schlüpfte dann durch das türkische Zeltlager weiter und durchschwamm einige Donauarme. Um Haaresbreite hätte er sein Leben verloren, denn seine Landsleute am Strom bei Nußdorf hielten ihn natürlich für einen Türken und nahmen ihn unter Beschuß. Es gelang Kolschitzky jedoch, bis zum Herzog Karl von Lothringen durchzudringen und ihm den letzten, verzweifelten Hilferuf Wiens zu überringen: "Plus de temps à perdre, Monseigneur, plus de temps à perdre..." (Keine Zeit zu verlieren, mein Herr, keine Zeit mehr zu verlieren).

Quelle: John Bingham Morton, Sobieski, King of Poland, S. 178

Am 12. September fand die Schlacht um Wien statt, in der der polnische König Johann Sobieski mit einem polnisch-deutschen Heer die Türken besiegte und in die Flucht schlug. Zum Dank hatte er den Vortritt beim Aufteilen der Beute - der Kaiser hatte während seiner Dankesrede protokollgemäß gegenüber einem nur gewählten König nicht einmal den Hut abgenommen. Die ausgehungerten Wiener stürzten sich auf die türkischen Lebensmittelvorräte. Kolschitzky bekam ein Geldgeschenk, die Zusicherung, ein beliebiges Gewerbe in der Stadt ausüben zu können, und er durfte aus der Beute auswählen. Sachkundig brachte die vielen Säcke mit den sonderbaren Bohnen an sich, die in einem der Zelte gefunden wurden. Man hatte es für Kamelfutter gehalten. Die Wiener hatten keine Ahnung, ob man sie backen, kochen oder braten musste, aber Kolschitzky eröffnete am 27. Februar 1684 in der Domgasse 6 (nach anderen Quellen im Schlossergassl, heute Stock-im-Eisen-Platz 8) das erste Wiener Kaffeehaus. Es erhielt ab 1700 das Schild "Zur blauen Flasche".

Quelle: Dorothy Gies McGuigan: Die Habsburger, S. 306 ff
und Lotte Scheibenpflug: Das kleine Buch vom Kaffee

Kolschitzky war ein bekannter Mann, aber die Wiener konnten mit dem bitteren schwarzen Getränk, dem "türkischen Kaffee", wenig anfangen. Da kam er auf die Idee, ihn von seinem Satz zu befreien, mit Honig zu süßen (Zucker war damals zu teuer, da er importiert werden mußte) und ihm Milch zuzusetzen. Der Siegeszug des Kaffeehauses begleitete den Aufstieg Österreichs zur europäischen Großmacht.

Eine zweite Legende sagt, daß er es war, der von einem Bäcker jene Halbmonde anfertigen ließ, wodurch die Wiener das türkische Symbol vernichten konnten und welches als Kipferl, Hörnchen oder Croissant bis heute beliebt ist.

Nach anderen Ansichten wird ein anderer Kaffeesieder, der Armenier Johannes Diodato (Deodat) genannt, dem am 17. Januar 1685 von Kaiser Leopold I. für seine Verdienste als Kundschafter das Monopol für 20 Jahre verliehen wurde "daß türkhische Getränkh; als Caffé, The und Scherbet wu präparieren". Das Glück währte nicht sehr lange, denn bei der Belagerung Belgrads durch Prinz Eugen wollte sich der Listreiche wieder Lorbeeren als Kundschafter verdienen, wurde jedoch in eine Intrige verwickelt und als Doppelspion angeklagt. Er konnte sich nur mit Mühe und Not rehabilitieren. Auf diese Gelegenheit hatten vier andere Armenier nur gewartet. Isaak de Luca, Joseph Devich, Andre Ben und Philip Rudolph Perg bekamen ebenfalls im Jahre 1700, während der Regentschaft Kaiser Leopolds, die Konzession zur Kaffeeausschank. Zug um Zug ging es weiter. Im Jahr 1714 gab es bereits 11 konzessionierte Kaffeesieder in Wien, denen Kaiser Karl VI. das Privileg verordnete "obberührte eilf Burger und nach ihnen ihre Nachkommen allein und niemand anderer sollen befuegt seyn, Thee; Caffe; Schogoladi und derley Sorbeten zum Verkauff zu brennen oder gebrennter zuverkauffen". Die größten Gegner der Kaffeesieder waren damals die Wasserbrenner (Schnapsbrenner) die zum Ärger der Kaffeesieder unerlaubter Weise auch Kaffee ausschenkten. 1747 beendete Kaiserin Maria Theresia den Zwist, indem sie die beiden Bruderschaften zusammenlegte.

Kolschitzky starb 1694, aber das Kaffeehaus lebte weiter.  Um 1730 gab es dreißig offizielle "und ein paar gut Dutzend im heimlichen Gwölb". 1705 berichtete ein Reisender, Wien sei "voll von Kaffeeschänken".Und dies blieb bis heute so.

Einige berühmte Kaffeehäuser